MARIA GREKOVA
Ein ganz spezielles Ensemble-Mitglied des T:K-Theater in Kempten

© Birgitta Weizenegger
Von Hans Piesbergen
Dass das Ensemble des T:K bunt gemischt ist, haben inzwischen die Zuschauer*innen bemerkt: junge und nicht mehr so junge Schauspieler*innen, Musicaldarsteller*innen, Tänzer*innen, Multitalente zwischen Akrobatik und Schlagzeug, eine ukrainische Pianistin und ein Allgäuer Live-Zeichner, Darsteller*innen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz – und eine junge Russin.
Ja, in bisher vier Produktionen des T:K spielte eine liebenswerte, humorvolle und berührende junge Frau aus Russland mit, die eigentlich keine gelernte Schauspielerin sondern eine studierte Englisch-Lehrerin ist:
Maria Grekova.
Ob in HEIMAT IM PLURAL des T:K-Theaterclubs, ob in DAS BALLHAUS, jener non-verbalen Zeitreise durch die letzten 100 Jahre, ob in den beiden Produktionen des Märchensommer Allgäu als ALICE und im ZAUBERER VON OZ – Maria Grekova zieht mit ihrem verschmitzten Lächeln und ihren großen klugen Augen immer wieder die Blicke des Publikums auf sich.
Ich erinnere mich an den ersten Workshop ATEM UND STIMME, den ich vor zweieinhalb Jahren in Kempten leitete. Maria war auf meine Einladung als Assistentin und Teilnehmerin dabei. Im Laufe des dreitägigen Kurses sollte jede*r etwas Eigenes vortragen: einen Sachtext, ein Gedicht oder ein Lied. Als ich Maria aufforderte: „Maria, it is your turn“, stellte sie sich hin und sang a capella ohne Zaudern, Zögern oder Haspeln ganz ruhig, ganz innig, mit warmer Stimme und mit strahlendem Gesicht ein wunderschönes russisches Volkslied. Danach mussten wir erst einmal Pause machen, denn alle im Raum hatten einen Kloß im Hals. Niemand konnte in diesem Moment sprechen.
Inzwischen kann Maria gut Deutsch, vielleicht nicht akzentfrei, dafür aber mit der ihr eigenen heiteren Innigkeit.
Während ich dies aufschreibe, ist sie wieder zurück in Russland (oder gerade auf Reisen durch China?) und ich hoffe, dass sie im nächsten Jahr wieder zu uns nach Kempten kommt und beim Märchensommer Allgäu 2020 dabei ist.

© Birgitta Weizenegger
Das folgende Interview habe ich mit ihr im August 2019 bei strahlendem Wetter auf der Burghalde geführt; wir haben mehr gelacht, als ich hier aufschreiben kann.
Maria, woher stammst Du?
Maria: (lächelt) Ich komme aus – (sie sagt einen mir unverständlichen russischen Namen; während sie weiter spricht, schreibt sie auf ein Blatt Papier STARY OSKOL) Das ist für russische Verhältnisse eine Provinzstadt aber mehr als dreimal so groß wie Kempten. Stary Oskol liegt nahe der ukrainischen Grenze. Nach Moskau braucht man zehn Stunden mit der Bahn.
Sind die russischen Züge besser als die deutschen?
Maria: Ehrlich gesagt ja, in Russland muss man nicht so oft umsteigen und die Deutsche Bahn… (wir lachen beide)
Wann bist Du nach Kempten gekommen und woher wusstest Du von Kempten?
Maria: Nach meinem Studium zur Englischlehrerin meldete ich mich vor vier Jahren als Au-pair für Deutschland und Silvia Armbruster und Wolfgang Seidenberg, die damals gerade nach Kempten gezogen waren, haben mich ausgewählt.
Also hat Kempten Dich gefunden?
Maria: Ja! (lacht) Danach bin ich ein Jahr bei der Familie als Au Pair geblieben – und danach dann noch ein Jahr, weil ich im Theater in Johanna Hartmanns T:K-Theaterclub in LIKE A MOTHER – HEIMAT IM PLURAL mitgespielt habe. Dann hat mich Kaija Klug eingeladen, mich für das Tanztheater DAS BALLHAUS zu bewerben. Erst wollte ich nicht, aber dann hat mir Silvia Armbruster die DVD mit dem Originalfilm in die Hand gedrückt und danach wollte ich unbedingt dabei sein!

Foto: Birgitta Weizenegger
Nach dem Erfolg mit BALLHAUS bin ich zurück nach Russland, kam aber nach einem halben Jahr wieder nach Kempten für die Wiederaufnahme von BALLHAUS und einige Monate später für ALICE IM WUNDERLAND. Das war witzig, denn ursprünglich sollte und wollte ich der Maskenbildnerin Helen Laitzsch assistieren und bei der Produktion insgesamt mithelfen, doch dann hörte ich, dass man mich als Schauspielerin erwarte. Ich habe daraufhin Silvia Armbruster geschrieben und sie hat sofort geantwortet: „Ohja, verzeih, ich habe in all dem Trubel vergessen Dir zu sagen, Du spielst eine der drei „Alice“. Als wir im Winter gemeinsam Weihnachtslieder gesungen haben, dachte ich: Du kannst das.“ (Wir lachen beide)
Ich habe ALICE geliebt! Ich wollte immer bei einer Tea-Time dabei sein und so habe ich vor allem die Szene mit dem Hutmacher geliebt!
Du hast sehr viele Vorstellungen angesehen – welche mochtest Du am liebsten?
Maria: (wie aus der Pistole geschossen) Goethes WAHLVERWANDTSCHAFTEN! Obwohl ich damals noch wenig Deutsch verstand, hat mich diese Aufführung emotional – ohah!!! Ich würde es sehr gerne jetzt wieder sehen, ich würde viel mehr verstehen.

Wie gut ist Dein Deutsch inzwischen?
Maria: (lächelt) Es wird immer besser und manchmal mache ich sogar einen Witz. Ich liebe die deutsche Sprache, es gibt so viele interessante Wörter, beispielsweise „Kopfsteinpflaster“ – also „Kopf“, ja, und „Stein“ auch, aber „Pflaster?“ (lacht). Oder etwa „heiße Liebe“, so etwas haben wir im Russischen nicht, dafür brauchen wir sehr viele Worte.
Was magst Du an Kempten?
Maria: Die Natur! Schau einfach jetzt, wo wir hier sitzen, diese Aussicht! Und die Menschen sind so freundlich hier. Ich meine, es gibt dieses Stereotyp über die Deutschen, sie seien verschlossen und distanziert, aber für mich ist das wirklich nur ein Stereotyp. Die Menschen hier begegnen mir so freundlich und es sind so interessante Persönlichkeiten.
Du bist viel in Deutschland gereist?
Maria: Ja, München, Nürnberg, Ulm, Stuttgart, Hamburg, Berlin – ach, noch viel mehr, ich kenne Deutschland besser als Russland, wirklich, für mich sind die Distanzen hier ein Witz!
