Die Stuttgarterin spielt im Märchensommer Allgäu, der Dreigroschenoper, Arizona und Nicht Maria Stuart.

Manche haben sie vielleicht wiedererkannt. Die großen blauen Augen, das durchdringende Lächeln, die starke Stimme, das furiose Spiel: Schauspielerin Birgit Reutter ist keine Unbekannte in Kempten. Sie glänzte bereits in der Rolle des verrückten Hutmachers in „Alice im Wunderland – neu erträumt!“ auf der Burghalde beim Märchensommer Allgäu. Erstmals stand sie aber im Januar 2018 bei der „Musical Gala“ des Theater in Kempten auf der Stadttheater-Bühne. Denn die 31-jährige Stuttgarterin ist auch noch Musicaldarstellerin. Ihre Ausbildung machte sie an der Theaterakademie August Everding in München. Dort lernte sie auch Kemptens Theaterchefin Silvia Armbruster kennen, die sie für die Spielzeit 2019/20 nun engagiert hat. Sie übernimmt die von Annemarie Simon gestiftete Stelle, die 2018/19 Corinne Steudler besetzte. Zuschauer*innen werden Birgit Reutter in vier verschiedenen Rollen kennen und lieben lernen: Als Puppenspieler im Märchensommer Allgäu „Der Zauberer von Oz“, als Polizeichef Tiger-Browns Tochter Lucy in „Die Dreigroschenoper“, als Margaret in der Deutschsprachigen Erstaufführung von Juan Carlos Rubios „Arizona“ und als Elisabeth I in der One-Woman-Show „Nicht Maria Stuart“. Im Interview mit Nicole Schönmetzer vom T:K-Blog spricht sie über ihre Herausforderungen und die Besonderheiten der Stücke.
Liebe Birgit, Du warst als freischaffende Schauspielerin schon viel auf deutschen Bühnen unterwegs. Was machst Du denn am liebsten und was waren Deine bisherigen Rollen-Highlights?
Birgit Reutter:
Wenn ich alles zusammennehme, was ich schon gemacht habe, spiele ich mehr
Musical. Ich finde aber grundsätzlich
einfach die schauspielerische Darstellung einer Rolle am Wichtigsten. Wenn ich
dabei auch noch singen darf, ist es für mich umso schöner.
Meine bisherigen
Rollen-Highlights waren auf jeden Fall die Maria Magdalena in „Jesus Christ
Superstar“, sowie der Hutmacher in „Alice im Wunderland“ beim Märchensommer
Allgäu auf der Burghalde in Kempten und die Inga im Musical „Frankenstein Junior“.
Das waren richtige „Armausreißrollen“ für mich.

Foto (c) Birgitta Weizenegger
Beim Märchensommer Allgäu 2018 warst Du bei Alice der Hutmacher. 2019 spielst Du den Puppenspieler im „Zauberer von Oz“. Du bewegst zwei überdimensional große Handpuppen (Anm. d. Red. – gebaut von Puppenbauerin Franziska Schmidt, die zum Thema im Herbst auch einen Workshop gibt) in einem wiederum überdimensional großen Kasperletheater – und das ziemlich versiert. Wie machst Du das?
Reutter: Das war
tatsächlich eine große, aber
auch schöne Herausforderung. Geholfen hat mir, dass ich schon einmal ein
Stück mit Klappmaulpuppen gespielt habe. Avenue Q. (Anm. d. Red. – Mehrfach
ausgezeichnetes Broadway-Musical) Das ist quasi Sesamstraße für Erwachsene. Damals hatten wir einen
Intensivworkshop bei Cornelia Löhr – einem Ensemblemitglied der Urbesetzung der
deutschsprachigen Erstaufführung in St. Gallen – bei der wir das Spiel mit
Klappmaulpuppen erlernen durften. Diese Erfahrung war eine sehr gute Grundlage
für die Arbeit jetzt.
Da ich die beiden Puppen zeitgleich spielen muss, ist es aber auch noch
koordinatorisch spannend.
Du bist zum zweiten Mal beim Märchensommer Allgäu dabei. Was lässt Dich bei dieser Produktion immer wieder JA sagen?
Reutter: Ich mag dieses Team sehr. Es ist dadurch ein sehr angenehmes, freies, unkompliziertes Arbeiten. Zudem liebe ich das Allgäu. Und Sommertheater hat für mich immer was von Ferienlager. Besonders auf der Burghalde nutzen wir das tolle Ambiente mit Biergarten und Kinderspielplatz.
Du scheinst Dich beim Kindertheater spielen sehr wohl zu fühlen?
Reutter: Ja, Kindertheater ist sehr bereichernd für mich. Ich habe immer das Gefühl, ich komme näher an das Publikum ran und kann den Kindern etwas mitgeben – ob das klappt, bekommt man sehr unmittelbar und ehrlich gespiegelt. Von Kindern kommt einfach viel zurück. Zum einen während der Vorstellung, aber auch bei der Autogrammstunde danach. Da sind immer alle Schauspielerinnen, weil wir den Kontakt zum Publikum einfach so schön finden. Aber wir spielen nicht nur für die Kinder. Die Märchensommer-Texte sind so gut geschrieben, dass die Witze für Kinder und Erwachsene funktionieren.

Nach dem Märchensommer spielst Du zunächst in der Dreigroschenoper von Bertolt Brecht mit dem Theater Hof. Das heißt zweimal Stadttheater zur Saisoneröffnung. In Hof hattet ihr ja schon Premiere. Was erwartet die Zuschauer*innen in Kempten? Brechts Gassenhauer ist ja seit Joachim Langs Kinofilm wieder in aller Munde.
Reutter: Die Dreigroschenoper kommt in großer Besetzung mit sechs Balletttänzer*innen, zwölf Schauspieler*innen und einem zwölfköpfigen Orchester nach Kempten. Der Hofer Intendant Reinhardt Friese hat die Geschichte um Mackie Messer in ein sehr schlichtes, aber starkes Bühnenbild mit tollen Kostümen gepackt. Besonders gefällt mir, dass Friese den schwarzen Humor des Stücks ganz genau herausgearbeitet hat. Seine Inszenierung spielt sehr pointiert mit dem Brechtschen Sarkasmus. Und Kurt Weill hat einfach so großartige Musik zum Stück geschrieben. Das macht alles sehr sehr großen Spaß.

Gleich am 10. Oktober ist dann die Deutsche Erstaufführung von Juan Carlos Rubios Tragödie „Arizona“. Hier verkörperst Du die Margaret, die mit ihrem Mann George (Philipp Brammer) die US-amerikanische Grenze vor Einwanderern schützen will.
Reutter: Ja, Margaret. Sie lebt in einer amerikanischen Traumwelt. Fernab der Realität. Mein Lieblingszitat von ihr ist: „Ich liebe authentische Dinge“ – und während sie das sagt, holt sie einen Plastik-Kaktus aus dem Koffer. Eigentlich wünscht sie sich ein Leben, wie im Musical – wo immer gesungen wird, egal was auch Schlimmes passiert. Das ist allerdings schwer zu vereinbaren mit einem vermeintlichen Camping-Urlaub in der Wüste, der eigentlich dazu dient, die Grenze zu überwachen.
Wie viel Donald Trump steckt in dem Text von Juan Carlos Rubio aus dem Jahr 2005? Er handelt ja von Bürger-Milizen an der Grenze zu Mexiko. Eine Grenze, an der Trump nach wie vor plant eine Mauer zu bauen.
Reutter: Erschreckend viel. Der Autor hat vor 14 Jahren ein nahezu prophetisches Stück geschaffen und es ist momentan näher an der Realität, als uns lieb ist. Vielleicht ist es jetzt sogar aktueller als damals.

Von den Vereinigten Staaten geht’s dann 2020 nach Großbritannien. Du spielst ab 16. Januar in einer One-Woman-Show mit dem Titel „Nicht Maria Stuart“. Dazu hast Du – angelehnt an Schiller – auch den Text bearbeitet.
Reutter: Mit Maria Stuart habe ich mich schon in meiner Diplomarbeit beschäftigt. Es gibt unzählige Briefe von Elisabeth und Maria, aus denen ich – in Kombination mit den Schiller-Texten – einen Monolog für Elisabeth I. geschrieben habe. Elisabeth, die ich selbst spiele, wird natürlich auch singen (lacht). Nur nicht das, was man unbedingt bei dem Thema erwartet. Von „Like a Virgin“ von Madonna über „Maria“ aus der West Side Story bis hin zu „Free again“ von Barbara Streisand ist alles dabei. Ich habe manche Lieder auch teilweise oder ganz umgetextet, wobei mir wichtig war, dass deren ursprünglicher inhaltlicher Charakter erhalten bleibt. Und so passen die Lieder zu den Szenen und alles fügt sich zusammen.
Liebe Birgit, vielen Dank für das Interview. Wir freuen uns auf eine spannende und vielseitige Spielzeit mit Dir!