Jörg Schüttauf ist Schauspieler von ganzem Herzen. Er war am Maxim Gorki Theater in Berlin engagiert, ist mehrfacher Grimme-Preisträger, war von 1994 bis 97 in der Vorabendserie „Der Fahnder“ zu sehen und von 2002 bis 2010 mit Andrea Sawatzki im Frankfurter Tatort als Hauptkommissar Dellwo.

Jetzt verkörpert er den jüdischen Komponisten Paul Abraham, dessen Operetten der 1930er-Jahre heute wieder eine Renaissance erfahren. Im Kemptener Stadttheater spielt Schüttauf das biografische Zwei-Personen-Stück der Hamburger Kammerspiele mit den Kammerspielen Magdeburg gemeinsam mit Susanne Bard, die vergangene Saison am Theater in Kempten mit “Marlene – The Kraut” die Saison eröffnete. Theater-Direktorin Silvia Armbruster hat mit Jörg Schüttauf im Vorfeld der Aufführung “Paul Abraham – Operettenkönig von Berlin” folgendes Interview geführt.
Lieber Jörg Schüttauf, ich habe Sie in den neunziger Jahren für mich entdeckt, als ich den Film „Lenz“ mit Ihnen in der Rolle von Goethes Jugendfreund Jakob Michael Reinhold Lenz gesehen habe. Sie haben dafür den Adolf-Grimme-Preis erhalten und ich habe mich sehr gefreut, dass Ihnen diese Auszeichnung verleihen wurde. Haben Sie heute noch eine Erinnerung an den Film? Was hat „Lenz“ damals für Sie bedeutet?
Schüttauf: Da gehören Sie ja zu einer kleinen aber feinen Gruppe von Zuschauern, die diesen Film gesehen haben. Danke für das freundliche Lob. Tatsächlich hat er mir bis zum heutigen Tage viel Anerkennung und Bewunderung eingebracht. Bis hin, dass mich mittlerweile älter gewordene Regisseure, aufgrund dieses doch immerhin schon fast 30 Jahre alten Films, heute noch besetzen wollen. Die Aufgabe war außergewöhnlich und ich habe sie auch anfangs gar nicht angehen wollen, weil ich der festen Überzeugung war, dass ich keinen Dichter und Schriftsteller spielen könne. Der Regisseur Egon Günther sah mich aber in der Amadeus-Inszenierung in Potsdam und sagte: “Wer Mozart so wie Sie spielen kann, kann bei mir auch den Lenz spielen. ”

Mitte der neunziger Jahre habe ich Sie dann das erste Mal live gesehen – auf der Bühne des Maxim Gorki Theaters in dem Stück „Wer hat Angst vor Virginia Woolf“. Und auch auf der Bühne hat mich Ihre Spielweise sehr angesprochen. Uneitel, genau, geistreich, voller Witz und doch auch sehr emotional. Von wem haben Sie Spielen gelernt?
Schüttauf: Meine Hochschulausbildung war Anfang der neunziger in Leipzig und von da aus ging es nach Potsdam. Nach dem Mauerfall wurde ich freischaffend und schlug mich beim Fernsehen durch, mit dem ich mich aber auch schon zu DDR-Zeiten ganz gut auskannte. Hörspiele beim Rundfunk. Und vielen Kollegen zuschauen. Mit wachen Augen durch die Welt spazieren und sich selbst auch ein bisschen mögen. All das sind Zutaten, die bei mir dazu kamen. Und von vornherein eine Spiellust, für die man aber nichts kann. Die hat man oder eben nicht.
Was ist Ihnen wichtig, wenn Sie an einer Figur arbeiten?
Schüttauf: Zuerst kommt das Angebot, da ist erst einmal grundsätzlich Bereitschaft da. Dann kommen die Bedingungen, Drehbuch, Zeit und Geld. Und wenn das alles stimmt, wird es schon gut gehen. Der Spaß darf dabei nicht fehlen. Egal wie ernst das alles ist. Allzu oft kommt es allerdings nicht vor, dass alle Parameter zusammenkommen. Und so passiert es eben auch, dass manche Zeiträume geduldig ausgesessen werden müssen und sich in irgend einer Form etwas ergibt, das mit Theater oder Film oder Schauspielen überhaupt nichts zu tun hat. Vielleicht einfach mal verreisen.

Was war Ihnen wichtig, als Sie an Paul Abraham gearbeitet haben? Wie kam es zu dem Projekt mit den Magdeburger Kammerspielen und was ist für Sie das Besondere daran?
Schüttauf: Das ist ein außergewöhnliches Projekt, hat auch viel mit Musikalität zu tun und da es der Zufall wollte, dass die musikalische Begleitung des Abends ein von mir sehr geschätzter Chanson Lehrer (Jens-Uwe Günther) aus meiner Theaterhochschule war, brauchte ich nicht lange überlegen diesen Paul Abraham, welcher ein außergewöhnliches Leben führte und einen verhältnismäßig stillen Tod starb, zu spielen. Susanne Bard, die zweite Aktrice ist eine Kommilitonin von mir und ihrer Idee ist es zu verdanken, dass wir nach rund 35 Jahren wieder gemeinsam auf der Bühne stehen.
Was würden Sie jungen Kolleg*innen raten?
Schüttauf: Ich kann keinen Rat geben. Viel hat aus meiner Sicht hat mit glücklichen Zufällen zu tun und der Fähigkeit im richtigen Augenblick das Beste draus zu machen. Träumen darf erlaubt sein aber nur im Traummodus kommt man nicht weit.
Wenn Sie nicht Schauspieler geworden wären, was wären Sie dann heute und warum?
Schüttauf: Ich wollte das schon immer machen, was ich seit circa 40 Jahren mehr oder weniger erfolgreich mache. Auf eine Ausbildung als Tischler kann ich noch verweisen, aber zu einer eigenen Werkstatt hätte ich es wahrscheinlich nie geschafft. Vielleicht wäre ich in einer Möbelfabrik gelandet an der Bandsäge. Mir würden zwei Finger fehlen und mit dem Gehör sähe es auch nicht gut aus.
Lieber Jörg Schüttauf, herzlichen Dank für das Interview.
Jörg Schüttauf am Theater in Kempten:
Paul Abraham – Operettenkönig von Berlin
Samstag, 25. Januar | 19 Uhr | Stadttheater
Einführung 18.15 Uhr
Karten: 0831/206430 – online hier…