Komm Ins Offene

WUNDERBAR WANDELBAR

Corinne Steudler, Foto: © Christian Hartmann

Im Interview mit Corinne Steudler über ihr Jahr im Ensemble des T:K

Von Ulrike Rottenburger

Ein Wesen nicht von dieser Welt – das war Corinne Steudler in Shakespeares „Der Sturm“, bei dem sie als atemberaubender Ariel durch die Theaterlüfte schwebte. Egal ob als sexy Raupe oder taffe Dorothy im Märchensommer, als verletzliche Ottilie in den Wahlverwandtschaften, Vamp in „Der ewige Gatte“ oder lustiger Seppl im „Räuber Hotzenplotz“ – ihre Vielseitigkeit und Wandlungsfähigkeit ist absolut verblüffend. 

Eine Spielzeit lang war Corinne Steudler im Ensemble des T:K engagiert auf der von Annemarie Simon gestifteten Schauspielerinnen-Stelle. Auch weiterhin bleibt sie dem Theater in Kempten eng verbunden. Mit einigen Wiederaufnahmen gibt es die Chance, Corinne erneut zu erleben, aber auch beim nächsten Märchensommer, soviel sei verraten, wird sie wieder dabei sein.

Für unser Interview erwische ich Corinne zwischen U-Bahn und ihrer „Basis“ – das ist seit über drei Jahren Stuttgart. Nach ihren Auftritten bei unserem Märchensommer Allgäu war sie nicht nur im Urlaub, sondern auch zu einem Gastspiel in Finnland eingeladen und hat ihre Familie in der Schweiz besucht. Jetzt steht aber ankommen im Alltag und Text lernen an: vor allem für „7 Minuten“ im Theaterhaus Stuttgart, bei dem sie mit zehn anderen Frauen auf der Bühne steht und das nach der Premiere ebenfalls in Kempten gastiert. Und die Rollen der Wiederaufnahmen in Kempten wollen wieder „hochgeholt“ werden.

Corinne Steudler in Aktion auf der Burghalde in Kempten: “Ich stehe auf Extreme!” © Birgitta Weizenegger

Corinne, Du hast eine komplette Spielzeit in Kempten verbracht. Bist Du zur Allgäuerin geworden?

Ich mochte die Stadt vorher schon sehr. Durch einige Produktionen war ich ja schon in Kempten. Das Allgäu ist wunderschön und hat große Ähnlichkeit zu meiner Heimat, der Schweiz.

Durch die Berge, Seen, die schöne Landschaft hab ich mich tatsächlich auch gleich Zuhause gefühlt, war gerne am Mariaberg oder am Niedersonthofener See spazieren.
Abgesehen davon ist das Kemtpener Stadttheater mein absolutes Lieblingstheater – und ich habe bei meinen Tourneen echt viele Theater gesehen! Der historische Saal in rot und gold, der wunderschöne Kronleuchter – so ein tolles großes Theater mit einem so eleganten Zuschauerraum sieht man nicht alle Tage und es ist eine große Ehre, hier so viel spielen zu dürfen.

Und ich habe riesiges Glück, mit Silvia Armbruster so viele tolle Stücke zu produzieren. Mit ihr macht es wahnsinnig viel Spaß, sie ist meine Lieblingsregisseurin. Dadurch habe ich sehr sehr gerne in Kempten gearbeitet. Wenn’s stimmt, dann stimmt’s einfach!

Corinne macht in “Der Sturm” Tuchakrobatik, für die sie hart trainieren muss. © Birgitta Weizenegger

War der „Sturm“ ein Highlight in Deiner Kemptener Zeit?

Es war eine große Ehre, da mitzuarbeiten. Mit Silvia, mit den Schauspielerkollegen, in dem tollen Saal. Dieses Stück mit dem Blick in den Zuschauerraum hätte man nicht überall machen können. Und meine Rolle als Ariel macht extrem viel Spaß – auch weil er ganz eigen ist in dieser Körperlichkeit. Die Tuchakrobatik als Ariel ist wahrscheinlich einzigartig auf einer deutschen Bühne, so etwas hat man noch nicht gesehen. Ich stehe auf Extreme und eigne mir gerne neue Dinge an. Und das zu lernen war sehr harte Arbeit.

Du wirst uns aber doch nicht als Artistin abtrünnig?

Ja das schlägt total ein, ich werde sehr viel darauf angesprochen und finde es selbst auch sehr faszinierend. Ich könnte mir durchaus vorstellen, eine Tuchakrobatik-Nummer einzustudieren aber nicht als Beruf. Man kann das bestimmt auch in andere Stücke einbauen. Das Training für „Der Sturm“ und die Akrobatik waren körperlich das Heftigste, was ich je geleistet habe. Ab Februar werde ich wieder zusätzlich spezifisch für den Sturm trainieren um für die Aufführung im April fit zu sein.

Mir gefällt es zu experimentieren, was mit dem Körper machbar ist und ich liebe es, mir Neues anzueignen für Rollen. Wenn man sagt: „Lerne Alphorn!“, dann mach ich das und spiel Alphorn auf der Bühne. Die Disziplin kann ich aufbringen – und dann sozusagen die Ernte daraus ziehen.

Für die Rolle des Seppel in “Der Räuber Hotzenplotz” klettert und kullert und hüpft Corinne Steudler als kleiner Lausbub über die Bühne. (c) Mark Noormann

Wie wird diese Beweglichkeit auf der Bühne eingesetzt?

Meine Beweglichkeit kann ich gut spielerisch nutzen – gerade beim Kindertheater wird es oft für witzige Situationen gebraucht. Wenn du als Seppl im Eimer steckst oder als Sams im Spagat über die Bühne gezogen wirst, lachen die Kinder halt. Und auch das Auge der Erwachsenen stutzt und staunt wenn sie erst schauen müssen wo meine Füße hingehören. Was die Leute selbst nicht können, das fasziniert die meisten Menschen. Diese spezielle Fähigkeit macht mich nicht zur besseren Schauspielerin – aber wenn es passt ist es toll. Ich kann auch gut mit Feinheiten spielen, mit Nuancen in der Stimme und Blicken.

Du bist eben nicht nur extrem beweglich, sondern auch als Schauspielerin wahnsinnig vielseitig.

Ich war schon immer sehr wandelbar. Ich habe wohl Glück, dass ich so ein wandelbares Gesicht habe. Man kann mir einen Hut oder eine Perücke aufziehen und ich sehe sofort anders aus. Wenn Freunde von mir Fotos machen staunen sie immer wie krass anders ich aussehen kann. Dann kann ich Seppel sein oder eben die sexy Raupe im Märchensommer. Ich finde es schön, dass mir dieser Spagat gelingt und das Publikum dadurch auch sieht, wieviele Facetten ich habe.

Corinne als sexy Raupe bei “Alice im Wunderland”. (c) Birgitta Weizenegger

Nächste Spielzeit bleibst Du uns in all diesen Facetten auch erhalten. Mit einigen Wiederaufnahmen und dann zum dritten Mal im Märchensommer bei „Aladin“.  Deine Kollegin Birgit Reutter sagte, der Märchensommer ist inzwischen ein bisschen wie Ferienlager.

Jaaaa …. das ist einfach ein tolles, harmonisches Team. Alle haben ein Gespür füreinander, man spricht künstlerisch dieselbe Sprache. Wir kennen uns ja teilweise noch aus dem Studium. Das ist sicher vorteilhaft für die Stücke. Und draußen zu spielen bei einem Sommertheater ist etwas ganz Besonderes. Körperlich zwar sehr anstrengend, aber gleichzeitig kann man den Sommer auch bei der Arbeit genießen. Nach der Probe einfach ein Picknick machen oder baden gehen, das hat schon was. Und inzwischen sind wir weit mehr als Kolleginnen und schreiben uns immer noch.

Du spielst bei Aladin mit und choreografierst auch wieder?

Wir verraten noch nicht, welche Rolle ich haben werde – es wird auf jeden Fall sehr körperlich! Und ich coache wieder die Spielkinder. Das macht riesigen Spaß und die Kinder können wahnsinnig viel mitnehmen aus dieser Zeit. Das liegt auch daran, dass wir sie ernst nehmen und mit ihnen wie mit Kollegen reden, nicht wie mit kleinen Kindern. Wir sprechen über Wirkung, Ausstrahlung, Bühnenpräsenz, gehen professionell miteinander um. Die Kinder haben das grandios gemacht und sicher werden viele aus 2019 wieder dabei sein.

Sie kann auch ernst: Corinne Steudler als Miranda in “Der Sturm”. © Birgitta Weizenegger

Du bist in der Stadt jetzt bekannt wie ein bunter Hund, oder?

Ja, ich werde schon manchmal angesprochen. Auf der Festwoche letztes Jahr haben wir ein Pärchen kennengelernt. Nach einem lustigen Abend kamen die auf die Burghalde, um uns beim Märchensommer zu sehen. Danach sind sie echte Fans geworden und kamen immer wieder ins Theater, zu allen Stücken, in denen ich gespielt habe, auch die ernsteren, klassischen Abende. Die haben dadurch ihre Liebe zum Theater entdeckt – das ist doch toll! 

Durch Deine Zeit in Kempten sind aber auch andere Theater auf Dich aufmerksam geworden. Und jetzt hast Du ein festes Engagement in Stuttgart…

Ich habe vorher schon an drei verschiedenen Bühnen in Stuttgart gearbeitet und spiele ja trotzdem viel in Kempten. Der Intendant des Theater Hof hat Bilder meiner Tuchakrobatik als Ariel im „Sturm“ gesehen und war fasziniert – so habe ich dort die weibliche Hauptrolle bei einer Uraufführung 2020 bekommen. Die Idee hat ihn sogar inspiriert, eine Akrobatik in seine Inszenierung einfließen zu lassen. Am Theaterhaus in Stuttgart trete ich jetzt ein Festengagement bis Juli 2021 an – und bin mit den Stuttgartern im November bei „7 Minuten…“ im Stadttheater zu sehen.

Liebe Corinne, vielen Dank für das schöne Gespräch und bis bald bei uns im Theater!